In einer Folge der Netflix-Doku-Reihe „Bildschöne Welt“ tritt der australische Fotograf Peter Eastway in die Fußstapfen des Frank Hurley, der Anfang des 20. Jahrhunderts mit Ernest Schackleton in der Antarktis auf Expedition war und deren dramatischen Verlauf er auf Nassplatten festgehalten hat. Am Ende der Doku kommt das Thema Bildbearbeitung zur Sprache. Nicht nur zeigt Eastway wie auch Hurley schon seine Nassplatten manipulierte, er erzählt auch, wie wichtig und selbstverständlich die Bildbearbeitung ihm ist. Über die „nackte“ Erfassung eines Motivs hinaus, lässt sich dadurch vermitteln, was er vor Ort persönlich empfunden hat. So entsteht in Bildern eine einzigartige, subjektive Authentizität, mit der ein Fotograf seine Handschrift setzen kann.
„Wenn ich wieder zu Hause bin, beginnt dort der Zauber erst wirklich“, sagt Eastway in der Doku. „In der Fotografie geht es nicht alleine um das Aufnehmen, aber auch um die Interpretation, um Anderen zu zeigen, was man bei der Aufnahme gefühlt hat.“ So entstehen aus Motiven, die im Prinzip jeder ablichten kann, Bilder mit einer eigenen Signatur und Persönlichkeit. Bilder, die nicht nur die inhärente Schönheit einer Landschaft zeigen, sondern auch etwas vom Fotografen hinter der Aufnahme.
Die Vorstellung, man könnte in einem Foto eine nicht real existierende Wirklichkeit zeigen, ist Vielen suspekt. Noch immer wird der Fotografie eine gewisse Integrität unterstellt und ein Bild, das nicht die Wirklichkeit darstellt, als so etwas wie eine Lüge gesehen. Nun hatten Landschaftsfotografen früher vor allem eine dokumentarische Aufgabe zu erfüllen. Ihre Bilder zeigten ihrem Betrachter unbekannte Welten und waren darum schon magisch genug. Heute, in unserer globalen Zeit mit ihrer Mobilität, ihrer medialen Dichte und ihrer Bilderflut, verliert diese Funktion aber zunehmend an Bedeutung. Kein Wunder, dass Ästhetik und künstlerische Interpretation viel mehr in den Vordergrund rücken und gar wichtiger werden als das Motiv selbst. Die Zeiten ändern sich und das Medium entwickelt sich entsprechend weiter.
Auch wenn die Fotografie ein ganz anderes Medium ist mit seinen eigenen, einzigartigen Eigenschaften, wage ich dennoch den Vergleich mit der Landschaftsmalerei. Niemand wird sich bei einem Gemälde des Vincent van Gogh fragen, ob diese real existierende, aber keineswegs fotorealistisch dargestellte Landschaft wirklich so ausgehen hat, oder ob sie „bearbeitet“ ist. Wir nehmen so ein Werk einfach als einzigartige Interpretation der Wirklichkeit und ein Fenster auf die Persönlichkeit des Malers an. Van Gogh zeigt uns seine Welt durch seine Augen. Dem sind wir uns als Betrachter bewusst und gerade deswegen bewegen diese Bilder uns viel mehr, als ein reines Abbild der Wirklichkeit es jemals könnte.
Wie gesagt, man kann die Fotografie nicht Eins zu Eins mit Malerei vergleichen. Ähnlich wie der Maler kann der Fotograf sich aber aller ihm zur Verfügung stehenden Mittel bedienen, um seine Wahrnehmung und Empfindung der Wirklichkeit in seinen Fotografien zum Ausdruck zu bringen. Selbst bearbeite ich meine Bilder so weit, wie sie danach wiederspiegeln, was ich gesehen und empfunden habe. Das geht durchaus auch über das Spiel mit Licht und Farbe hinaus. Nicht um eine Landschaft komplett digital umzubauen, sondern um dem Betrachter nahe zu legen, was mich in der realen Welt zu der Aufnahme bewegt hat. Meist weiß ich auch schon vor Ort, wie das Bild später bearbeitet werden soll, um genau dies rüber zu bringen.
Bildbearbeitung ist für mich kein puristisches Tabu, sondern ein Werkzeug, das genauso zur Fotografie gehört, wie die Augen mit den ich Dinge wahrnehme. Wichtig ist nur, dass Technik und Bildbearbeitung nicht zum Selbstzweck werden. Wie viel Geschick man auch in die Waage legen kann, es wiegt niemals auf gegen das, was man als Fotograf vor Ort einbringt. Waren das Bild und die Idee dahinter schon am Anfang nichts, wird daraus auch später mit dem Drehen an den digitalen Schrauben und mit Filtern und Presets kein gutes Foto mehr. Ein Thema übrigens, das über die Bildbearbeitung und die Landschaftsfotografie hinausgeht und das ich darum sicherlich noch mal in einem weiteren Beitrag vertiefen werde.