Vor einigen Tagen twittert eine junge Frau einen witzigen Spruch. Als Landbewohnerin hat sie sich zwar Masken besorgen können, aber sie weiß nicht, wo sie diesen „ÖPNV“ herbekommt. Ein pfiffiger Text, der mir gleich ins Auge sprang und mit Humor einen wichtigen politischen Punkt macht. Ein Text, der einen neidisch machen könnte, weil man selbst nicht drauf gekommen ist.
Das sollte Bewunderung und Respekt auslösen, aus politischem Engagement heraus vielleicht sogar das Bedürfnis, diesen Tweet zu teilen. Nicht so die sogenannten Werbe- und PR-Fachkräften anscheinend. Die haben den Text massenhaft kopiert, ins eigene Corporate Design eingesetzt und damit auf unverschämter Weise Öffentlichkeitsarbeit für die eigene Institution betrieben.
Bei einer Partei wie „Die Partei“ kann man das vielleicht noch als ehrenamtlichen Eifer, mit Unwissenheit gepaart, verteidigen. Der Ortsverband Freiburg hatte wenigstens noch den vollständigen Link zu dem Tweet eingefügt. Allerdings wäre ein parteiprominenter Künstler wie Nico Semsrott bestimmt „not amused“, wenn sich jeder einfach seine Geisteskinder so unter den Nagel reißen würde. Viel bedenklicher wird es jedoch, wenn Medienhäuser und Rundfunkbetriebe dies machen, manche gar ohne Quellenvermerk. Für keine andere Institution müsste das mehr ein „No-Go“ sein als für den Medienprofi.
Dieses massenhafte „Copy & Paste-Verhalten“ der Branche ist ein schreckliches Armutszeugnis.
Abgesehen von der rechtlichen und moralischen Seite der Geschichte, sollte uns noch ein anderer Aspekt Bauchschmerzen bereiten. Dieses massenhafte „Copy & Paste-Verhalten“ der Branche ist ein schreckliches Armutszeugnis. Der Ehrgeiz, etwas Originelles und Eigenes zu kreieren und in die Welt zu schicken, scheint der Branche in großen Teilen vollkommen abhandengekommen zu sein. Kreativ sein, heißt offensichtlich nicht länger, wie man sich nachhaltig unterscheidet, sondern wie man ohne Rücksicht auf Verluste schnellstmöglich vorne steht, wobei jedes Mittel recht scheint, außer der Anstrengung der eigenen kreativen Hirnzellen.
Noch hinzu kommt, wie die Geschwindigkeit und Reichweite des Netzes dafür sorgen, dass man den Tweet innerhalb weniger Tage überall auftauchen sieht. Ein Arbeitgeber oder Auftraggeber, der sich über so viel „kreative“ Abkupferarbeit freut und darin die Peinlichkeit nicht sieht, ist wie ein Märchenkaiser, der dem Volke stolz seine neuen Kleider zeigt. Für solche Methoden sollte man sich als Fachmann und Fachfrau einfach nur schämen.
Zum Schluss noch ein Wort all jenen, die der Meinung sind, soziale Medien sind zum Teilen gedacht. Das stimmt – man teilt. Das heißt, dass man retweetet, komplette Links postet oder Originalbeiträge einbettet. Nicht aber, dass man Texte mit Copy & Paste ins eigene Design einsetzt und damit gewinn- oder erfolgsorientiert Werbemaßnahmen trifft. Das entspricht in keinerlei Weise dem Geist der sozialen Medien.
Originalthread Tweet: Twitter-Konto @BeiAnja
Website Nico Semsrott